Beispiele aus der Wissenschaft und der Forschung zum Finanzsektor
Welche Fehler genau wurden in der Banken- und Finanzkrise gemacht und warum hat kaum jemand die Auswirkungen auf den gesamten Finanzmarkt vorhersagen können? Um zukünftig eine ähnlich negative Entwicklung verhindern zu können, arbeiten Wissenschaftler daran, Methoden zu entwickeln, um die komplexen internationalen Finanzmärkte regulieren zu können. Einer dieser Wissenschaftler ist Prof. Thomas Hartmann-Wendels, Direktor des Seminars für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre an der Universität zu Köln und Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Finanzwirtschaft. Die lang vorherrschende Meinung, der Markt regelt sich alleine und bedarf keiner Eingriffe von außen, hat sich als falsch herausgestellt. Die Risiken, die sich nach dieser Theorie optimal auf dem Markt verteilen, hatten sich diesmal auf ein Feld, den US-amerikanischen Immobilienmarkt, konzentriert und durch die enge ökonomische Verknüpfung der Bankinstitute weltweit zu einer Instabilität des gesamten Systems geführt. Als Konsequenz aus dieser Entwicklung müsse nun nach neuen Regulierungsmaßnahmen gesucht werden.
Während man vor der Krise die einzelnen Banken kontrollierte, scheint die Stabilität der Finanzmärkte im gesamten System zu liegen. Da die Abhängigkeiten der Banken untereinander größer geworden sind, haben auch die Systemrisiken zugenommen. Die Beurteilung dieser Systemrisiken ist auch für Wirtschaftswissenschaftler Neuland. Wie genau entstehen Dominoeffekte, die eine Krise wirklich anheizen? Wie kann man die Systemrelevanz einer Bank messen?
Bisher wurden auf europäischer Ebene neue Instanzen eingerichtet, die die Finanzmarktrisiken zumindest auf europäischer Ebene begrenzen sollen. Eine dieser Instanzen ist das European System of Financial Supervision (EFSF), zu dem auch die Europäische Bankenaufsicht (EBA) gehört. Doch die Bankenaufsicht und ihre Umsetzung muss europaweit einheitlichen Standards folgen, denn sonst wandern die Risiken dorthin, wo am wenigsten reguliert wird. Neben der europäischen Aufsicht, sollte es nach Hartmann-Wendels Meinung aber auch ein nationales Gremium geben. Um die Banken, das Finanzsystem und die Bankenstruktur in einem Land verstehen zu können, benötige man Fachwissen über die lokalen Verhältnisse, denn diese Strukturen sind von Land zu Land sehr unterschiedlich.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist eine Institution, die es bereits vor der Krise gegeben hat, die die Krise aber nicht aufhalten konnte. Eine Möglichkeit nach Ansicht des Kölner Wissenschaftlers ist es, die BaFin in der Ausübung ihrer Aufgaben politisch zu stärken, damit sie direkt und frühzeitig in die Gestaltung der Geschäftsmodelle von Banken eingreifen kann. Um Schwierigkeiten vorzubeugen, müsste zudem eine wissenschaftliche Kommission ins Leben gerufen werden, die die Arbeit der Bankenaufsicht in Zweifelsfällen oder Streitfragen untersuchen und dann ein Gutachten abgeben könnte. So würden die Banken einerseits vor einer allzu mächtigen Bankenaufsicht geschützt und die Bankenaufsicht andererseits vor dem Lobbyismus der Banken.
Um dauerhaft ähnliche Banken- und Finanzkrisen zu verhindern ist es nötig, international zusammenzuarbeiten und überall gleiche Regelungen und Gesetze einzuführen. Nur so lasse sich ein Wettlauf um die lascheste Regulierung vermeiden, so Hartmann-Wendel.