Biodiversität
Eine Landwirtschaft, die nur auf Leistung ausgerichtet ist, verliert an Artenreichtum. Die biologische Vielfalt der Nutzpflanzen schwindet. Hüter der biologischen Diversität bei Nutzpflanzen sind oft Kleinbauern in ärmeren Ländern. In den vergangenen 10.000 Jahren haben Bauern mehr als 7.000 Pflanzenarten gezüchtet und angebaut. Doch in den letzten einhundert Jahren sind durch die Modernisierung der Landwirtschaft bereits rund 75% aller Sorten von Nutzpflanzen verloren gegangen.
Der Anbau von Hochertragssorten wird auf vielerlei Weise staatlich gefördert (Kredite, Marketing, etc.). Diese Fördermöglichkeiten stehen Kleinbauern mit ihren traditionellen und genetisch vielfältigen Landsorten oft nicht zur Verfügung. Zudem erschwere Patentrechte und Sortenschutz der Saatgutindustrie, dass die Bauern das Saatgut untereinander austauschen dürfen oder aus der eigenen Ernte zur Wiederaussaat nutzen dürfen. Auch ist die Vermarktung traditioneller Sorten oft schwierig, wenn sie kommerziellen Kriterien nicht entsprechen. Dies alles sind Gründe für den Rückgang von traditionellen und vielfältigen Nutzpflanzen.
Doch die Vielfalt der pflanzengenetischen Ressourcen ist wichtig, um langfristig die Qualität von Nutzpflanzen sichern zu können. Traditionelle Sorten sind an ihre natürliche Umgebung angepasst und können sich besser als die Sorten der Saatgutindustrie an die verändernden Umweltbedingungen anpassen. Sie sind robust und nicht so teuer wie die Produkte der Saatgutindustrie. Außerdem sind sie widerstandsfähiger gegenüber Hitze, Schädlingen und Krankheiten und bieten eine ganz unterschiedliche Geschmacksvielfalt. Genetische Eigenschaften können nicht einfach neu geschaffen werden, sondern können nur aus vorhandenen Möglichkeiten entwickelt werden. Um den Genpool zu erhalten, sind weniger ertragreiche Sorten unersetzlich, sowohl für die kommerzielle Saatgutindustrie als auch für die Gentechnik. Solange es ausreichend genetisches Material gibt, kann sich die Lebensmittelproduktion an die verändernden Umweltbedingungen anpassen. Daher sind pflanzengenetische Ressourcen die wichtigsten ökologischen Faktoren in der Landwirtschaft. Da traditionelle Nutzpflanzen robuster sind, brauchen Bauern weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel ein Beitrag zur Armutsbekämpfung, denn ca. ¾ der 1,2 Milliarden ärmsten Menschen weltweit leben auf dem Land.
Ein solches Beispiel sind die vom Pflanzengenetiker Phil Forsline entdeckten alten Apfelsorten aus dem Kaukasus und aus China. Von dort hat er krankheitsresistente Wildlinge in die USA gebracht, mit denen Forscher neue krankheitsrobuste Sorten für die Zukunft züchten können. Forsline hat in Geneva/USA mit über 6.500 Sorten die weltgrößte Apfelsortensammlung gegründet. Die im Kaukasus und in China entdeckten alten Apfelsorten sind resistent gegenüber der Krankheit Feuerbrand, die durch Bakterien hervorgerufen wird und bei der Blätter und Blüten plötzlich vom Blattstiel welken und sich braun oder schwarz verfärben. Auch gegen viele durch Bodenpilze hervorgerufene Wurzelerkrankungen sind die alten Sorten resistent. Durch Kreuzungen mit traditionellen Arten kann man sich die genetischen Eigenschaften der alten Sorten zu Nutze machen und erhält krankheitsresistente und wohlschmeckende Äpfel.
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Noch wird zu wenig für den Erhalt der pflanzengenetischen Ressourcen getan. Doch der von 123 Ländern ratifizierte Plant Treaty umfasst Regelungen, die das Problem angehen. Dazu gehören:
- die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der genetischen Agrarbiodiversität
- der Zugriff auf diese Ressourcen und
- ein fairer und gleichberechtigter Vorteilsausgleich aus der Nutzung der Ressourcen.
Dieser Vertrag sieht vor, dass Landwirte Zugriff auf die traditionellen Sorten haben sollen und unterstützt werden, wenn sie auf diese Art und Weise einen Beitrag zum Erhalt des globalen Genpools leisten. Sie müssen frei darüber entscheiden können, wie sie Samen aus der eigenen Ernte nutzen.
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Zwar sind diese Rechte für Landwirte nicht präzise im Plant Treaty festgeschrieben, dafür sind die Verhältnisse für sie in den 123 Ländern zu unterschiedlich, aber er sieht vier zentrale Aspekte vor:
- das Recht, eigenes Saatgut aufzubewahren, zu nutzen, zu tauschen und zu verkaufen
- den Schutz des traditionellen Wissens über pflanzengenetische Ressourcen
- das Recht zum fairen und gleichberechtigten Ausgleich der Vorteile, die aus der Nutzung der Ressourcen entstehen und
- das Recht auf Teilhabe an nationalstaatlichen Entscheidungsprozessen zur Agrarbiodiversität
Weltweit wurden bereits einige Projekte erfolgreich umgesetzt. So wurde in Indien ein Gesetz erlassen, das Bauern erlaubt, Saatgut aus der Ernte aufzubewahren, zu nutzen, zu tauschen und zu verkaufen. In Peru wurde das Kartoffelregister-Projekt (Centro International de la Papa, Peru) ins Leben gerufen, in dem alte Sorten registriert und bewahrt werden. In Nepal hat die Veredelung der traditionellen Kartoffelsorten dazu beigetragen, den Lebensstandard der Bauern zu verbessern. Sie wurden sowohl an der Zucht als auch an der Vermarktung, der Saatgutregistrierung und auswahl der Kartoffelsorten beteiligt und konnten so von der Vielfalt, die sie hüten, profitieren.
In Deutschland beschäftigt sich das Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung Köln mit gentechnischen Veränderungen der Kartoffel und in der zentralen deutschen Kartoffel-Gendatenbank Groß Lüsewitz werden 2000 Kulturkartoffelsorten als Pflänzchen im Reagenzglas auf Nährboden gehalten, 2800 Samenproben von 130 Wildkartoffelarten gelagert und Sprossspitzen von mehr als 200 alten Kartoffelsorten tiefgefroren konserviert. Doch auch in anderen Ländern gibt es vergleichbare Gendatenbanken. Weltweit arbeiten mehrere Institute in der Association of Potato Intergenebank Collaborators (APIC) zusammen, darunter nicht nur die Kartoffelgendatenbank Groß Lüsewitz und das Internationale Kartoffelzentrum in Lima/Peru, sondern auch Institute aus Russland, Argentinien, Schottland, Holland und den USA.