Beispiele der Forschung aus der Praxis

Den Agrar- und Ernährungswissenschaften kommt bei der Lösung globaler Probleme eine zentrale Bedeutung zu. So wird es eine Aufgabe sein, die Erkenntnisse verschiedener Forschungseinrichtungen miteinander zu vernetzen und zu bündeln. Nur so können zukunftsfähige Lösungen für die globalen Probleme gefunden werden.

Zu den globalen Herausforderungen zählen die Vereinten Nationen und die Weltbank:

- Unter- und Fehlernährung bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum

- Zerstörung von landwirtschaftlich und forstlich nutzbarer Fläche

- Wassermangel

- Verlagerung von Anbauzonen durch den globalen Klimawandel 

- Rückgang der biologischen Vielfalt

- Anstieg der Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen, besonders tierischen Produkten durch veränderte Nahrungsgewohnheiten in den Schwellenländern wie z.B. Indien und China 

- Notwendigkeit, Biomasse stärker für die energetische und stoffliche Verwertung zu nutzen, da fossile Ressourcen endlich sind

 
Taste the Waste, copyright: W-film,2012

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt verschiedene Projekte, um international auf dem Gebiet der Agrar- und Ernährungsforschung weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Bewältigung künftiger Probleme. Alle Projekte haben gemeinsam, dass sie auf interdisziplinärer Vernetzung beruhen und so fächerübergreifend zu nachhaltigen Lösungen kommen.

 
Taste the Waste, copyright: W-film, 2011

Food Chain Plus: Wertschöpfungskette von Lebensmitteln

Dieses Projekt steht ganz im Zeichen des Rohstoffs Milch. Die gesamte Wertschöpfungskette, angefangen bei der Fütterung der Milchkühe und deren Gesundheit, der Verarbeitung bis hin zur Wirkung von Milchprodukten auf ernährungsbedingte Krankheiten, wird untersucht. Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel koordiniert dabei verschiedene Wissenschaftszweige (Agrar- und Ernährungswissenschaften, Biowissenschaften und Medizin) und außeruniversitäre Forschungs- und Wirtschaftseinrichtungen, um gemeinsam in verschiedenen Projekten die gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe in der Milch zu identifizieren und in Milchprodukten zu nutzen. In einem Projekt wird beispielsweise der Einsatz von verschiedenen Phenolen (Tannine und Chinone) untersucht, die zur Verbesserung der Proteinversorgung von Milchkühen beitragen sollen. Über die Verdauung der Kühe bewirken diese Stoffe, die in verschiedenen Futterpflanzen wie Rotklee vorkom¬men, dass weniger Stickstoff (N) von Kühen ausgeschieden wird und so die Umwelt weniger belastet wird. Auch die Tierzucht soll dazu beitragen, dass zusammen mit technologisch genutzten Mikroorganismen die biologisch aktiven Inhaltsstoffe der Milch optimiert werden. So entstehen funktionalisierte Produkte, also Produkte, die biologisch wirksame Substanzen enthalten, die beim Konsumenten positiv wirksam werden. In der Lebensmittelbranche stellen funktionalisierte Lebensmittel einen interessanten Wachstumsmarkt dar, der auf gesundheitsbewusste und anspruchsvolle Verbraucher abzielt. Aber auch medizinisch wirksame Lebensmittel sind auf diesem Weg herstellbar. So sollen entzündungshemmende Milchprodukte entworfen werden, da Entzündungsprozesse häufig eine bedeutende Rolle in der Entstehung von ernährungsabhängigen Stoffwechselerkrankungen spielen.

 

CROP.SENSe.net

Um die steigende Weltbevölkerung zukünftig ernähren zu können, ist es wichtig, die bisher erzielten Erträge auf den Feldern noch zu steigern, ohne diese dabei weiter zu belasten. Dabei müssen Veränderungen durch den Klimawandel und die knapper werdende Verfügbarkeit von Ressourcen berücksichtigt werden.

Mit Hilfe von Sensoren, sollen in der Landwirtschaft sowohl der Pflanzenbestand, aber auch der Zustand der Pflanzen und des Bodens erfasst werden. So können mit gezielten Züchtungsverfahren, der individuell abgestimmten Düngermenge etc. die Produktion gesteigert und gleichzeitig die Ressourcen geschont werden. Ein solches Beispiel ist das von der Carl-Zeiss-Stiftung geförderte „Kompetenzzentrum für Sensoren und Geoinformationssysteme“ (SenGIS) an der Universität Hohenheim, die international auf dem Gebiet der Agrarwissenschaften führend ist. Ein zentraler Aspekt ist dabei, die bestehenden Messverfahren und Auswertmethoden bei der Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Nutzflächen miteinander zu verbinden. So wird beispielsweise eine Multisensorplattform für die simultane Datenerfassung mit verschiedenen Sensoren eingesetzt, um u.a. neue Auswertverfahren zu ermöglichen. Dies ermöglicht die Bestimmung des genauen Pflanzenzustands, der Bestandsdichte, der Stickstoffversorgung und der Anteile Kulturpflanze – Unkraut, um darauf die weitere Behandlung der Fläche abstimmen zu können.

Dieses wie andere Projekte gehören zum Bereich „Smart Farming“, in dem Zukunftsperspektiven in der Landwirtschaft entwickelt werden. So konnten SenGis gemeinsam mit der Max-Eyth-Stiftungsprofessur „Mess- und Prüftechnik“ das Konzept der Automatisierung und Robotik beispielhaft an einem autonomen Kleinschlepper (20kW) zeigen. Dieser Schlepper wurde mit einer hochgenauen Satellitenortung (GNSS) und einem computerbasierten Steuerungssystem ausgerüstet. Der Traktor kann mit geringsten Abweichungen einer definierten Fahrtstrecke innerhalb eines Feldes folgen und an vordefinierten Punkten gekoppelte Anbaugeräte steuern. So können die Geräte wie Hackwerkzeuge präzise mit definiertem Abstand zur angebauten Pflanze die Pflanzreihen entlanggeführt werden. Das erhöht die Effizienz der Unkrautkontrolle, verringert den Verlust der angebauten Pflanze durch Beschädigungen und erhöht so die Flächenleistung. Der integrierte Laserscanner macht es möglich, dass Hindernisse erkannt und entsprechend darauf reagiert werden kann.

 
Taste the Waste, copyright: W-film 2011

SYNBREED: Innovationscluster Synergistischer Pflanzen- und Tierzucht

Die Pflanzen- und Tierzucht gehört zu den Schlüsseltechnologien für die Lösung komplexer globaler Probleme. Mit der gezielten Züchtung bestimmter Merkmale bei Lebensmitteln, Futtermitteln und nachwachsenden Energieträgern, können in der Landwirtschaft Produktionssteigerungen erzielt werden, die diesen Problemen gewachsen sind. Die Aufgabe dieses Forschungsbereiches besteht zudem in der Vernetzung von Forschung und Lehre durch die gezielte Förderung von jungen Talenten und Forschern, der Einrichtung einer Sommerschule und von Wissenschaftsworkshops und in der engen Zusammenarbeit und dem Datenaustausch der unterschiedlichen Forschungsbereiche. An diesem Projekt arbeiten u.a. die Fachbereiche Pflanzen- und Tierzucht, Allgemeine und Humangenetik der Technischen Universität München, das Institut für Bioinformatik und Systembiologie des Helmholtz-Zentrums München, das Institut für Tierzucht der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, der Fachbereich Bioinformatik der Universität Hohenheim, Fachbereich Tierzucht und Genetik der Georg-August-Universität Göttingen und das Institut für Tierzucht und Tierhaltung der Christian-Albrecht-Universität Kiel zusammen.

 

BioEnergie 2021 - Forschung für die Nutzung von Biomasse

Ziel der Bundesregierung ist es, den Anteil der Biomasse an der Energieversorgung in Zukunft deutlich zu erhöhen. Ziel des Projektes ist es, durch Forschung und Innovation auf dem Gebiet der Bioenergie den Anteil an erneuerbaren Energien zu steigern und damit die Treibhausgasemissionen zu senken. Dafür muss sie wettbewerbsfähiger, klima-, natur- und umweltfreundlicher erzeugt werden, als dies bis heute möglich ist. Mit 70% hat Bioenergie den größten Anteil unter den erneuerbaren Energien.

Die Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion („Tank oder Teller“) macht es nötig, dass weniger die Anbauflächen für Energiepflanzen vergrößert werden, sondern vielmehr das Potential der Bioenergie ausgebaut werden muss. Für die Forschung und Technologie stellt das eine große Herausforderung dar. Ziel des vom Forschungszentrum Jülich getragenen Projektes ist somit die Effizienz- und Wertsteigerung sowohl der energetischen als auch der stofflichen Verwendung von Biomasse durch beispielsweise Bioraffinerien. Dadurch soll Deutschland in der Lage sein, Biomasse international wettbewerbsfähig zu nutzen, weiterhin führend auf diesem Gebiet zu sein und einen wichtigen Beitrag zur Eigenversorgung mit Energie zu leisten.

Um dies zu erreichen, setzt die Forschung auf neue Umwandlungsprozesse von Biomasse aus biologischen Reststoffen und Energiepflanzen, die züchterisch optimiert werden. Neben der Nutzung von Energiepflanzen zu Treibstoff, wird auch ihre Verwendung für Wärme und Elektrizität erforscht. Aber nicht nur Energiepflanzen können dies leisten. Zunehmend wird auch an der energetischen Nutzung von Rest- und Abfallstoffen wie Stroh oder Lebensmittelresten – wie in „Taste the Waste“ zu sehen – geforscht. Weitere Forschungsbereiche im Projekt Bioraffinerie2021 ist auch die verfahrenstechnische Optimierung der Bioethanolproduktion und die Erweiterung der Rohstoffbasis um kostengünstigere Nicht-Nahrungsmittel. Dazu soll zum einen die bei der Bioethanolherstellung anfallende vergorene Schlempe als Produkt zur Bodenverbesserung, zur Düngung oder als Futtermittel besser vermarktet werden, zum anderen soll die Vergärung der Schlempe zur Biogaserzeugung effizienter gemacht werden. Dazu müssen aber erst die mikrobiellen Grundlagen der Biogasproduktion mit modernen molekularbiologischen Methoden gezielt untersucht werden, um sie dann hinsichtlich eines technischen Einsatzes zu optimieren. Um die Rohstoffpalette für die Bioethanolherstellung zu erweitern, wird der Einsatz von lignocellulosehaltiger Biomasse erforscht. Dazu zählen beispielsweise auch Weizen- und Maisstreu, die als Nebenprodukt in der Landwirtschaft anfallen. Lignocellulose kommt in drei Stoffgruppen vor: Hemicellulose, Cellulose und Lignin. Alle drei unterscheiden sich erheblich in ihrem Reaktionsverhalten voneinander. Ziel ist daher der effiziente Aufschluss der Lignocellulose in diesen drei Stoffgruppen durch enzymatische bzw. kombiniert enzymatisch / hydrothemische Behandlung, um die anschließende Vergärung zu Ethanol umsetzen zu können. In der Grundlagenforschung sind alle drei Verfahren schon weit fortgeschritten, allerdings müssen sie noch in dem Gesamtprozess der Bioethanolherstellung integriert werden und entsprechende Verfahrensabläufe entwickelt werden.

An dem Projekt Bioraffinerie2021 sind Industrieunternehmen genauso beteiligt wie Forschungsinstitute. Dazu zählen Linde Engineering Dresden GmbH, Süd-Chemie AG, Agraferm Technologies AG oder Südzucker AG Mannheim/Ochsenfurt, das Deutsche BiomasseForschungsZentrum gGmbH, das Johann Heinrich von Thünen-Institut für Holztechnologie und Holzbiologie und die Technische Universität Hamburg-Harburg mit den Fachbereichen Bioprozess- und Biosystemtechnik, Feststoffverfahrenstechnik und Partikeltechnologie, Technische Mikrobiologie, Umwelttechnik oder Molekulare Biowissenschaften, um nur einige zu nennen.

 

Abfallforschung

Seit den 1990er Jahren gibt es Abfallforschung in Deutschland, zum Beispiel durch das Bayerische Institut für Abfallforschung (BIfA) oder die Nordhäuser Fachhochschule Bereich Umwelt- und Recyclingtechnik. Dabei werden Lösungsansätze für die Vermeidung, Verwertung, Behandlung und Ablagerung von Abfällen erforscht. Besonderer Schwerpunkt wird dabei auf die ressourcenschonende und nachhaltige Abfall- und Kreislaufwirtschaft gelegt. Um erfolgreich zu sein, reicht es nicht, sich einseitig auf einen Themenbereich zu konzentrieren, sondern es ist nötig, möglichst viele Facetten anzusprechen. Im Bereich der Abfallwirtschaft schließt das den Rohstoffverbrauch, Energiebedarf, Emissionen, Immissionen, ökonomische und soziale Aspekte ein und hat die Schonung und Effizienz von Ressourcen zum Ziel.

Erst mit der Analyse des Restmülls ist es möglich, geeignete Maßnahmen für dessen Auswertung zu erhalten. Dafür hat das Bayerische Landesamt für Umwelt 2008 in Bayern mit der regulären Müllabfuhr Proben von 45.638 Bürgern genommen und auf ihre Zusammensetzung hin untersucht. Pro Woche wurden dabei 20 m³ Restmüll gesammelt und mit einer Sortieranlage in 14 Obergruppen aufgeteilt (siehe Kreisdiagramm). Im Durchschnitt lag die Restmüllmenge pro Kopf bei 107,6kg. Der Heizwert dieses Restmülls besitzt den Heizwert von Rohbraunkohle (8,4 Megajoule / kg). Da kaum Altglas und Batterien im Restmüll gefunden wurden, kann man davon ausgehen, dass sowohl das Sammeln von Altglas als auch die Rückgabe von Altbatterien von den Bürgern angenommen werden und sich bewährt haben.

Erst mit diesem Wissen ist es möglich, gezielt Möglichkeiten bei der Vermeidung oder Verwertung von Haushaltsmüll zu erforschen – ein weiterer Schritt zur Ressourcenschonung. Zu diesem Zweck betreibt das Bayerische Landesamt für Umweltschutz das Josef-Vogl-Technikum in Augsburg. Schwerpunkte der praxisnahen Forschungstätigkeit sind Sensorik/Analytik, Müllzusammensetzung, Schadstoffmobilität und Technische Verfahren. Die Ergebnisse aus diesen ganz unterschiedlichen Bereichen werden zusammengeführt und bilden dann die Basis für anwenderorientiertes Vorgehen in der Vermeidung, Behandlung und Verwertung von Hausmüll.